Barrierefreies Reisen | Urlaub mit körperlicher Beeinträchtigung

Barrierefreies Reisen ist für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung ein wichtiger Punkt in Sachen Lebensqualität Was vor ein paar Jahrzehnten noch so gut wie unmöglich war, wird heutzutage Gott sei Dank immer selbstverständlicher: Barrierefreies Reisen mit körperlicher Beeinträchtigung. Viele Dienstleistungsanbieter der Reise- und Tourismusbranche haben den Handlungsbedarf bereits erkannt. In den vergangenen Jahren wurden beachtliche Fortschritte erzielt. Trotzdem sind entsprechende Hilfestellungen noch nicht flächendeckend gegeben. Möchtest Du als Person mit Beeinträchtigung auf Reisen gehen, erfordert dies einer besonders gründlichen Vorbereitung. In folgendem Beitrag findest Du einen Überblick über wichtige Fakten und nützliche Tipps, was Du bei der Vorbereitung Deiner Reise beachten solltest.

 

Wie und wo finde ich barrierefreie Reisen?

Leider ist nicht jedes Reiseziel für Menschen mit Beeinträchtigung geeignet, aber die touristischen Angebote in diesem Bereich nehmen ständig zu. Überlege Dir genau, was Du von der Reise erwartest und informiere Dich gründlich über Machbarkeit und organisatorischen Aufwand.

Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Initiative des Deutschen Seminars für Tourismus (DSFT) Berlin e. V. gründete das Projekt Reisen für Alle. Hier findest Du zahlreiche Angebote für barrierefreies Reisen, welche in einer zentralen Datenbank registriert und nach einheitlichen Kriterien zertifiziert und bewertet sind.

Immer mehr Reiseveranstalter bieten Pauschalreisen für Menschen mit Beeinträchtigung an. Von speziellen Katalogen für barrierefreies Reisen bis zu Städtetrips mit Führungen in Gebärdensprache oder betreutes Reisen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität – die Auswahl ist groß. Allerdings unterscheidet sich das Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen den Anbietern sehr. Gründlich recherchieren und vergleichen lohnt sich!

Bei einer eigenständigen Organisation Deiner Reise musst Du Dir über den organisatorischen Mehraufwand im Klaren sein. Im Ausland kann es immer wieder zu unvorhergesehenen Situationen kommen. Du musst Dich selbst für eventuelle Schwierigkeiten rüsten, eventuelle medizinische Versorgung, Hilfsmittel oder Fahrdienste selbst koordinieren.

TIPP

Blogs und Erfahrungsberichte in einschlägigen Foren sind ebenfalls gute Berater. Andere Personen in Deiner Situation, die Dein Wunschziel bereits bereist haben, können Dir genau berichten, worauf Du achten musst. Sie wissen, wie sich die persönliche Erlebbarkeit dort real gestaltet und mit welchen Hindernissen Du eventuell rechnen musst.

 

Wichtig: Umfassende Vorbereitung für barrierefreies Reisen

Bei jeder Reise ist eine gründliche Vorbereitung die Voraussetzung für einen gelungenen Urlaub. Bei Reisen für Menschen mit Beeinträchtigung kommen – je nach Art des Handicaps – meist noch zusätzliche organisatorische Dinge dazu. Plane deshalb rechtzeitig!

 

Reisen mit Sehbehinderung

Der DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband) verfügt über ein Portal, in welchem Du spezielle Hotels, Wohnanlagen oder auch Campingplätze findest, die auf blinde oder sehbehinderte Menschen eingestellt sind. Federführend sind derzeit die AURA-Hotels mit hohem Standard für blinde und sehbehinderte Gäste. Es wird auch eine persönliche Beratung und Planungshilfe angeboten.

Planst Du die Reise auf eigene Faust, erkundige Dich genau, ob die Unterkunft Deiner Wahl auf Deine Bedürfnisse abgestimmt ist. Ist der Assistenzhund erlaubt? Gibt es Infobroschüren und Speisekarten in Blindenschrift? Existieren tastbare Markierungen an Zimmern und Aufzügen etc.

Reist Du mit einem Assistenzhund, ist dies im Bahnverkehr überall möglich, aber nicht alle Fluggesellschaften akzeptieren größere Hunde in der Kabine. Deshalb solltest Du Dich rechtzeitig erkundigen. Für die Reise benötigst Du einen Tierausweis und – je nach Reiseziel – entsprechende Impfnachweise. Schreibe deshalb vor der Reise den Tierarztbesuch auf deine To-do-Liste.

 

Gehörlos unterwegs

Verschiedene Anbieter haben spezielle Pauschalreisen für Gehörlose im Angebot – vom Städtetrip über Kreuzfahrten bis zur Weltreise. Achte bei der Planung darauf, Dich rechtzeitig anzumelden, Last-Minute-Optionen sind eher selten.

Wie auch bei anderen Reisen unterscheiden sich die Qualitätsstandards der Anbieter. Transfer und Unterkunft sollte den entsprechenden Richtlinien gerecht werden, z. B. Begleitung und Informationen in Gebärdensprache. Es müssen technische Möglichkeiten der Informationsvermittlung für gehörlose Menschen gewährleistet sein, z. B. akustische statt visueller Signale in Aufzügen und Zimmern etc.

Zertifizierte Unterkünfte erkennst Du am Siegel mit der Kennzeichnung „Barrierefrei geprüft“ bzw. „Teilweise barrierefrei für gehörlose Menschen“.

Für Gehörlosen-Assistenzhunde gelten dieselben Regeln wie für Blindenhunde (s. oben).

 

Urlaub mit Gehbehinderung

Erkundige Dich bei der Reisevorbereitung nach Anbietern mit dem Zertifikat „Barrierefrei geprüft“. Nur dann kannst Du sicher sein, dass Du komplikationsfrei den Urlaub genießen kannst. Vergleiche die angebotenen Preise mit dem Leistungsspektrum. Auch in der Branche des barrierefreien Tourismus divergieren die Angebote sehr stark.

Entscheidest Du Dich für eine Individualreise, plane rechtzeitig die Transportmöglichkeiten. Immer noch sind viele Bahnhöfe nicht barrierefrei gestaltet und der Einstieg in die Bahn nicht rollstuhltauglich. Speziell beim Umsteigen ist daher nicht selten die Hilfe seitens des Bahnpersonals notwendig (z. B. durch fahrbare Rampen in Ermangelung eines Aufzuges). Dies muss im Vorfeld genau abgeklärt werden und kann sich umständlich gestalten.

Speziell bei Individualreisen ist es wichtig, dass Du vor der Buchung die Peripherie Deiner Unterkunft auf Barrierefreiheit checkst. Was nützt ein barrierefreies Hotel, wenn das Museum, der Souvenirladen oder der Freizeitpark vor Ort einen Treppenaufgang hat? Diesbezüglich sind Pauschalangebote mit organisiertem Programm sicherer, aber auch teurer.

 

Organisation von Hilfsmitteln und Fördergeldern

Das Organisieren von Hilfen und Fördergeldern ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in den barrierefreien Urlaub Reisen mit Beeinträchtigung ist organisatorisch und finanziell aufwendiger. Erkundige Dich, welche Hilfestellungen Du benötigst und welche Kosten eventuell durch Dritte übernommen werden können. Einige Tipps:

Die Bundesvereinigung für Lebenshilfe bietet auf ihrer Homepage eine umfangreiche Seite „Reisen für alle“. Dort findest Du nicht nur eine Auflistung behindertenfreundlicher Reiseziele, Du erhältst ebenfalls Hilfe bei der Planung der Reise, der Antragstellung von Fördergeldern oder der Organisation von Hilfsmittel und Begleitpersonen.

Der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e. V. stellt seiner Webseite Informationen für Gruppen- und Individualreisen für Menschen mit Behinderung zur Verfügung.

Der Tourismus für Alle Deutschland e. V. (NatKo) ist ein Zusammenschluss von bundesweit tätigen Verbänden der Behindertenselbsthilfe. Dieser kämpft seit über 20 Jahren für einen barrierefreien Tourismus in Deutschland. Diese Institution wird vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen von Projektzuwendungen gefördert. Hier findest Du ebenfalls Hilfe bei der Planung und Umsetzung Deiner barrierefreien Reise.

TIPP

Zuwendungen und Fördermittel für Deine Reise kannst Du unkompliziert auf dieser Seite beantragen.

Es existieren spezialisierte Stiftungen, welche Reisen für Menschen mit Behinderung fördern – sowohl durch die Bereitstellung notwendiger Hilfsmittel als auch finanziell. In der Regel sind diese Stiftungen auf bestimmte Beeinträchtigungen fokussiert. Recherchieren lohnt sich!

Organisieren von Begleitpersonen

In manchen Situation brauchen Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung eine Begleitperson Wenn Du aufgrund Deiner körperlichen Einschränkung auf eine Begleitperson angewiesen bist, muss dies auch in die Urlaubsplanung miteinbezogen werden. Aufgrund der Komplexität dieses Themas hier nur einige Fakten:

Die Deutsche Bahn hat den sogenannten „Nachteilsausgleich für Behinderte“ in ihrem Programm. Dieses impliziert unter anderem die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson: Wer einen körperlich behinderten Menschen auf einer Bahnfahrt begleitet, darf in Deutschland umsonst mitreisen.

Voraussetzung für den kostenlosen Transport der Begleitperson ist, dass im Schwerbehindertenausweis des Hauptreisenden der Vermerk „Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen“ vermerkt ist. (Kennbuchstabe B).

Europäischen Bahngesellschaften erkennen meist nur den Behindertenausweis ihres eigenen Landes an. Der deutsche Behindertenausweis gilt dann also nur vom Abfahrtsbahnhof in Deutschland bis zur Grenze. Für die Strecke bis zum Ziel im Ausland wird der volle Preis für die Begleitperson berechnet. Ausnahme: Begleitpersonen von blinden Menschen dürfen auch im EU-Ausland kostenlos mitfahren.

Die meisten deutschen Airlines befördern Begleitpersonen von Menschen mit Behinderungen mit Merkzeichen B innerhalb Deutschlands kostenlos, es existiert allerdings keinen gesetzlichen Anspruch auf diese Leistung.

Immer mehr Freizeiteinrichtungen (z. B. Schwimmbäder, Tierparks, Theater, Opernhäuser, Museen etc.) gewähren für die Begleitperson freien oder ermäßigten Eintritt. Dies geschieht ebenfalls auf freiwilliger Basis, eine rechtliche Grundlage gibt es nicht.

Wenn Dich Deine Begleitperson im Rahmen Deiner Berufsausübung (z. B. Dienstreise) begleitet, steht diese unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Begleitperson kann entstehende Kosten steuerlich absetzten.

 

Angebote an Flughäfen und Bahnhöfen

Die Angebote auf Flughäfen und Bahnhöfen für Menschen mit Beeinträchtigung nehmen weiter zu, was ein Schritt in Richtung barrierefreies Reisen bedeutet Der Transport zum Reiseziel und zurück ist zweifelsohne die größte Hürde beim Reisen mit Beeinträchtigung. Die meisten Airlines, Flughäfen und Bahnhöfe sind aber inzwischen gut aufgestellt, was den Betreuungsservice für Reisende mit Handicap angeht. Trotzdem solltest Du einiges beachten:

Alle deutschen internationalen Airports verfügen über einen sogenannten „Mobility Service“ für Reisende mit Beeinträchtigung. Spezielles Personal ist einschlägig geschult z. B. in Gebärdensprache oder im professionellen Umgang mit blinden Menschen und Rollstuhlfahrern. Der Service beinhaltet unter anderem:

  • Begleitung bei Abflug, Ankunft und während des Transits
  • Begleitung zu öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Unterstützung bei Zoll-, Grenz- und Sicherheitskontrollen
  • Vermittlung ärztlicher Unterstützung
  • Vermittlung relevanter Informationen in Gebärdensprache oder Blindenschrift etc.

Wichtig! Benötigst Du als mobilitätseingeschränkter Fluggast Betreuung auf dem Flughafen, so musst Du Dich mindestens 48 Stunden vor Abflug bei der Fluggesellschaft bzw. den Flughafen anmelden. Bei speziellen Pauschalreisen für Menschen mit Beeinträchtigung ist der Reiseveranstalter zuständig, auch dort solltest Du sicherheitshalber rechtzeitig Bescheid sagen. Diese Zeitspanne ist per EU-Verordnung vorgeschrieben und dient der rechtzeitigen Weiterleitung der Informationen an den Betreuungsservice. Eine direkte „Vor-Ort-Buchung“ ist nicht möglich.

TIPP

Falls Du mit einem eigenen Rollstuhl eine Flugreise planst, der mit einer Batterie betrieben wird, musst Du vorab prüfen lassen, ob diese Batterie in einem Flugzeug aus Sicherheitsgründen befördert werden darf.

Die Bundesbahn bietet ebenfalls einen Betreuungsservice, allerdings nur an größeren Bahnhöfen. Besonders an kleinen Provinzstationen ohne Personal und Schalter ist dieser Service nicht abrufbar.

Anmelden kannst Du Dich telefonisch, per E-Mail, über ein Kontaktformular im Internet oder direkt bei einem Mitarbeitenden am Bahnhof. An allen definierten Standorten ist eine Anmeldung mindestens 24 Stunden vor Reisebeginn (bei Auslandsreisen 48 Stunden) notwendig.

Der Betreuungsservice umfasst unter anderem:

  • Abholung am Bahnsteig, Aus- und Einstiegshilfe
  • Betreuter Bahnsteigwechsel
  • Auskünfte, Hilfe beim Ticketkauf etc.

Zusätzlich zur Leistung der DB existieren vielerorts Bahnhofsmissionen mit ehrenamtlichen kirchlichen Mitarbeitern, die ebenfalls Hilfestellung anbieten.

Liegt Dein Zielbahnhof im Ausland, erkundige Dich bei der Bahn, welchen Service Du dort erwarten kannst, die deutschen Mitarbeiter vermitteln Dir den Kontakt zu den Betreuungspunkten an ausländischen Bahnhöfen – zumindest innerhalb der EU.

 

Versicherungsschutz abklären

Auf jeder Reise kann etwas Unvorhersehbares eintreten, deshalb ist ein ausreichender Versicherungsschutz unbedingt notwendig. An erster Stelle sollte der Krankenversicherungsschutz stehen. Für Menschen mit Beeinträchtigung gibt es zusätzlich einiges zu beachten:

Grundsätzlich gilt: Auf jeder Auslandsreise solltest Du immer den Versicherungsnachweis der gesetzlichen Krankenkasse in Form der European Health Insurance Card (EHIC) dabeihaben. Aber: Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen nicht in allen Ländern medizinische Kosten und Aufwendungen. Und diese in der Regel nicht in vollem Umfang – speziell für Personen mit Vorerkrankung oder Behinderung. Das Abschließen einer zusätzlichen Reisekrankenversicherung ist äußerst sinnvoll.

Behinderungen sowie chronische Erkrankungen, die bereits ärztlich diagnostiziert wurden, gelten bei den meisten Reiseversicherungen als Vorerkrankung. Diese sind bei einer guten Reisekrankenversicherung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Kommt es während der Reise zu einer unerwarteten Verschlechterung oder einem Unfall, übernimmt die zusätzliche Reisekrankenversicherung die Behandlungskosten und im Notfall auch Krankenrücktransport.

Behandlungen und Vorfälle, mit denen bei Reiseantritt diagnostisch zu rechnen war, sind allerdings oft vom Versicherungsschutz ausgenommen. Deshalb ist es wichtig, dass Du vor Reiseantritt prüfst, ob und in welchem Umfang die jeweilige Zusatzversicherung auch im Urlaubsland die notwendigen Leistungen erbringt.

As Reisender mit Handicap oder einer Vorerkrankung solltest Du Dir vor der Reise eine Unbedenklichkeitsbescheinigung Deines behandelnden Arztes attestieren lassen. Darin sollte vermerkt werden, dass Reisedauer, Urlaubsziel und der Transfer zum Reiseziel komplikationsfrei zu erwarten sind.

Reiserücktrittsversicherung: Hier solltest Du beim Abschluss besonders vorsichtig sein. Viele Versicherer heben den Versicherungsschutz auf, wenn der Grund des Reiserücktritts eine Folge der Behinderung oder einer chronischen Erkrankung ist. Diese Ausschlussklausel darf auf keinen Fall im Vertrag der Reiserücktrittsversicherung stehen. Denn bei Menschen mit Beeinträchtigung oder chronische Krankheiten liegt der Grund für eine Erkrankung während der Urlaubsreise bereits vor.

 

Sonstige Tipps

Benötigst Du notwendige Medikamente, welche Du im Gepäck mitnehmen musst, lass Dir vom behandelnden Arzt ein internationales Attest für die Notwendigkeit dieser Medikamente ausstellen. Sonst besteht die Gefahr, dass es zu Problemen bei der Zollabfertigung kommt.

Erkundige Dich vor der Reise, wie die medizinische Versorgung am Reiseziel gewährleistet ist. Wo ist der nächste Arzt? Gibt es eine Apotheke vor Ort? Gibt es die Möglichkeit, notwendige Hilfsmittel zu ersetzen oder reparieren (z.B. Rollstuhl etc.)

Achte auf Sicherheit! Besonders in Ländern mit hoher Kriminalitätsrate ist es traurige Tatsache, dass Kriminelle leider nicht Halt vor Menschen mit Beeinträchtigung machen und nutzen die Beeinträchtigung aus für Diebstahl oder sogar Raubüberfälle. Verstaue Geld, Handy und Dokumente stets am Körper, trage nur das Notwendigste bei Dir, der Rest ist sicher im Hotelsafe oder der Unterkunft Deines Vertrauens deponiert.